Offensichtlich bestehen in der Öffentlichkeit einige
Mißverständnisse
bezüglich Aufgabe und Wirkung von beschußhemmenden Westen.
Daher soll diese Seite erklären wie solche Westen aufgebaut sind,
was sie können und was sie nicht können.
Während des ersten Weltkrieges wurde dann das erste Mal erfolgreich
mit nichtmetallenen Werkstoffen experimentiert. Es wurde festgestellt,
daß ein Schutzpaket aus mehreren Lagen Seide Granatsplitter
aufzuhalten vermag. Jedoch war eine Massenproduktion wegen der geringen
Verfügbarkeit von Seide nicht möglich.
Anfang der vierziger Jahre konnte Nylon als hochfeste Chemiefaser in
Massenproduktion hergestellt werden. Die Schutzpakete aus Seide wurden
durch Nylongewebe ersetzt. Schon 1941 wurden US-amerikanische
Flugzeugbesatzungen mit Splitterschutzwesen aus Kunstfaser
ausgerüstet. Im Korea- und Vietnamkrieg wurden Splitterschutzwesten auch
Bestandteil der Ausrüstung von Bodentruppen.
Mitte der sechziger Jahre gelang es der Firma DuPont die Nylonfaser weiterzuentwickeln: Para-Aramid, bekannt unter dem Markennamen Kevlar. Dieses Para-Aramid besitzt eine fünfmal höhere Zugfestigkeit als legierter Stahl. Damit war es möglich Schutzwesten nicht nur gegen Splitter herzustellen, sondern auch Schutz vor Geschossen aus Faustfeuerwaffen (Pistolen, Revolver etc.) zu bieten. Einschubplatten aus laminiertem Aramidgewebe bieten darüber hinaus auch Schutz gegen Projektile aus Langwaffen (Gewehre zB.).
Anfang der achtziger Jahre entwickelte die Firma DSM eine hochfeste
Faser aus Polyethylen. Seit Ende 1990 wird diese HPPE (HighPerformancePolyEthylene) oder auch
UHMWPE (UltraHighMolecularWightPolyEthylene) genannte Faser
von DSM unter dem Markennamen Dyneema in größeren Mengen vertrieben.
Lizenznehmer gibt es in den USA (Allied Signal, Markenname: Spectra) und Japan (Toyobo).
Die Polizei braucht dagegen Westen, welche möglichst absoluten Schutz bieten. Hier gibt wiederum zwei Unterscheidungskriterien:
Die Weste, die ein Streifenbeamter täglich zur Vorsorge trägt (Unterziehweste), möglichst bequem und unauffällig unter dem Hemd zu tragen (entspricht in etwa einer Splitterschutzweste – schützt aber etwas weniger, da weniger Körperpartien abgedeckt sind).
Die "Panzerung" die bei speziellen Einsätzen notwendig wird. Dabei werden Stahl und Keramikplatten in die Weste eingeschoben und fast der ganze Körper abgedeckt. Dazu kommen noch schußsichere Helme, Visiere und evtl. Schilde. Das hat natürlich nichts mehr mit Tragekomfort zu tun und läßt sich auch nur wenige Stunden tragen.
Offizielle Schutzklassen (Technische Richtlinie der Polizei)
SK1:
zum Schutz gegen gebräuchliche Geschosse aus Faustfeuerwaffen.
Als Bedrohung wird hier das Kaliber 9mm × 19mm angenommen, allerdings
mit der höheren Mündungsgeschwindigkeit (V0)
einer Maschinenpistole. Somit wird ein großer Teil der durch Faustfeuerwaffen
entstehenden Bedrohung erfaßt. (Eine Splitterschutzweste der NATO
entspricht in etwa dieser Schutzklasse)
SK2:
Schutz gegen alle Geschosse aus Handfeuerwaffen, also auch der mittlerweilen
vom Markt genommenen KTW-Munition. Ein Nachbau dieser speziell für
den Durchschuß schußsicherer Westen entwickelten Munition
bildet den Prüfstein dieser Schutzklasse, zudem wird hier mit recht hohen
Geschwindigkeiten geprüft.
SK3:
Schutz gegen Weichkerngeschossen aus Langwaffen. Als Prüfgeschosse
dienen die Kaliber 7,62 mm × 51 mm (.308 Winchester) und 5,56 mm × 45mm
(.223 Remington). Diese im militärischen Bereich üblichen Kaliber
decken stellvertretend einen großen Bereich der Bedrohung durch Gewehre ab.
SK4:
Schutz gegen Hartkerngeschosse aus Langwaffen. Zur Anwendung kommen
die gleichen Kaliber wie bei SK3, allerdings mit wesentlich
durchschlagkräftigeren Hartkernprojektilen.
Oft wird die Schutzwirkung einer beschußhemmenden Weste überschätzt.
Eine solche Weste soll das durchdringen des Materials durch ein
Geschoß verhindern. Die Bewegungsenergie eines Projektils wird dennoch an den
Körper weitergegeben (Eindellung). Ein Treffer auf einen Schutzwestenträger
in der Herzgegend kann durchaus einen Herzkreislaufstillstand auslösen.
Überhaupt entspricht die an den Körper abgebene Energie, der
eines Schlages mit der Energie des auftreffenden Geschosses. Die Weste
(soll) verhindert nur das durchdringen des Körpers durch das
Geschoss – den Schlag des Geschosses bekommt der Körper dennoch ab.
Schockabsorber (Trauma-Plates) sollen die auftreffende Energie nun möglichst
gleichmäßig verteilen.
Stichwaffen werden von einer nur aus herkömmlichen Kunstfasern
bestehenden Weste überhaupt nicht abgehalten. Zum Schutz gegen
Messer müssen Keramik oder Stahleinschübe benutzt werden.
Neuere Westen werden durch Verwendung der Faser Dyneema Flex (R) im
Schutzpacket stichhemmend gemacht.
Ballistische Schutzwesten können Leben retten. Man muß sich aber klar darüber sein, wie sie funktionieren und was sie nicht leisten können.
© 2007 Markus Machner